Die Römer kommen - Europäische Kultur in Bonn

Von Lambert-Sebastian Gerstmeier

Aus: Europäische Zeitung, Nr. 12, Dezember 2000

In Bonn gibt es eine Institution, die schon seit dreißig Jahren den europäischen Gedanken auf ihre Fahne geschrieben hat und Europa im kulturellen Sinne verwirklicht: das Euro Theater Central Bonn.

Gegründet wurde das Theater im Dezember 1969 von Claus Marteau und Gisela Pflugradt. Seit 1972 residiert es in einem alten Patrizierhauses mitten in Bonns City am Schnittpunkt von Münsterplatz, Dreieck und Mauspfad.

Claus Marteau suchte von Beginn an europäische Kultur zu vermitteln. Bonn als Hauptstadt bot sich dafür geradezu an, wie er in einer Informationsschrift über das Theater schrieb:
"Die vielschichtige und zum Teil internationale Bevölkerung der Bundeshauptstadt, das Nebeneinander von Menschen unterschiedlicher Kulturen, politischer Systeme und Gesellschaftsordnungen ermöglicht eine Form von Theater, die Begegnung und Verständigung zwischen Gegensätzen und Offenheit und Weiträumigkeit im Denken sucht. Das erfordert eine Spielplangestaltung und eine Art der Interpretation von Bühnenwerken, die frei sind von ideologischer Beschränktheit und politischer Bevormundung und stattdessen eine psychologische, analytische und humanitäre Auseinandersetzung mit den Konfliktthemen unserer Zeit anstrebt. [...] In diesem Selbstverständnis unseres Theaters war es nur ein folgerichtiger Schritt, daß wir uns seit 1978 mit anderen unabhängigen europäischen Theatern zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen haben, um Erfahrungen, Anregungen und Inszenierungen untereinander auszutauschen, den ausländischen Mitbürgern in dieser Stadt das Theater ihres Landes einzubringen und Bonner Theaterfreunden und Schulen das Theater der europäischen Nachbarn nahe zu bringen."

Aus dieser Arbeitsgemeinschaft, die mit 84 Privattheatern aus europäischen Nachbarstaaten gegründet wurde, gingen die Bonner "Euro-Theatertage" hervor, in Weiterführung dieser Aktivitäten auch die Veranstaltungsreihe "Zeittheater 2000" zum 2000. Geburtstag der Stadt Bonn sowie das "Europaprogramm" mit fremdsprachigen Gastspielen.

Claus Marteaus Traum war die Triennale THEATER EUROPA DREI, in der europäische Geschichte anhand von Dramen aus der jeweiligen Zeit sowie aus heutiger Sicht dargestellt werden soll. Er selbst konnte diesen Traum nicht mehr verwirklichen, da er im September 1995 viel zu früh verstarb. Seine Frau Gisela Pflugradt, die das Theater seit seinem Tod alleine leitet, hat im Sommer 1999 den ersten Teil dieses Traums verwirklicht.

Die Triennale ist unterteilt in die drei großen Kulturepochen Antike, Mittelalter und Neuzeit, die wiederum in drei Teilen präsentiert werden. Da Griechenland die Wiege des europäischen Theaters und der europäischen Kultur ist, begann 1999 damit auch der erste Teil der Antike.

Der zweite Teil im Juni 2001 behandelt die Römerzeit. Neben den beiden Eigenproduktionen "Miles Gloriosus" von Plautus und "Nero läßt grüßen" von Martin Walser werden ca. vier bis fünf Gastspiele – vorwiegend aus Italien – zu sehen sein.

Bonn ist durch seine römische Vergangenheit prädestiniert für dieses Festival. Nicht nur Ausgrabungen wie in der Heerstraße bezeugen dies, auch im Umland sowie entlang des Rheines gibt es Funde. Im Rahmenprogramm findet deshalb im Theater auch eine Ausstellung statt, mit Abgüssen von römischen Skulpturen und Köpfen, die aus Bonn und der näheren Umgebung stammen. Diese Exponate, eine freundliche Leihgabe des Rheinischen Landesmuseums Bonn, sind bereits jetzt zu sehen und werden bis Spielzeitende ausgestellt. Das genaue Programm der Triennale ist ab Januar 2001 im Theater erhältlich.

Der Europagedanke wird aber auch auf andere Weise gepflegt. Wie zum Beispiel durch das Europa-Programm, in dem regelmäßig fremdsprachige Gastspiele im Hause stattfinden: auf englisch, französisch, italienisch, russisch; aber auch chinesisches Puppenspiel. Seit 1997 werden die Kontakte nach Osten ausgeweitet. Hier fand ein Regisseuraustausch statt: Gisela Pflugradt inszenierte Dürrenmatts "Romulus der Große" in Satu Mare/Siebenbürgen und Cristian Ioan, der dortige Intendant, brachte das Stück "Die Geschichte von den Pandabären ..." seines Landsmannes Matéï Visniec am Euro Theater Central Bonn heraus. Außerdem gibt es eine rege Zusammenarbeit mit osteuropäischen Regisseuren, Bühnen-, und Kostümbildnern aus Rumänien, Ungarn, Rußland.

Das Euro Theater Central Bonn ist auch zu Gastspielen im Ausland unterwegs. Zuletzt im September 2000 in Rumänien und Ungarn mit "Die Stühle" von Eugène Ionesco. Ziel dieser Tournee "war die Förderung der Annäherung der europäischen Länder durch kulturelle Zusammenarbeit einerseits, die Kontaktaufnahme zur deutschsprachigen Bevölkerung in Siebenbürgen und Ungarn andererseits. Ein Theaterstück des Autors Eugène Ionesco erschien dafür in besonderer Weise geeignet, da er als gebürtiger Rumäne und Wahlfranzose als ein Repräsentant des Ost-West-Dialogs gelten kann".

Seit 1996 werden die Fühler auch nach Asien ausgestreckt: Das Euro Theater Central Bonn nimmt regelmäßig am "International Dramafestival" in Lahore/Pakistan teil.

Im Dezember 1999 feierte das Haus am Mauspfad sein 30jähriges Bestehen. Hoffen wir, daß es noch viele Jahre ein Mittler der europäischen Kultur sein kann.